Bürger-Bindung durch moderne städtebauliche Konzepte
Inklusion und demographischer Wandel sind soziale Dimensionen, die eng mit barrierefreier Gestaltung des öffentlichen Raumes und öffentlicher Gebäude verbunden sind. „Dies ist bei Kommunen und anderen Gebietskörperschaften längst angekommen“, so Gudrun Jostes, freie Sachverständige und Fachplanerin für barrierefreies Bauen. „Ich warne jedoch vor zu schnellem Aktionismus“.
Mit Einführung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 ist Barrierefreie Gestaltung öffentlicher Räume eine Notwendigkeit. Vor allem in Schulen werden die Auswirkungen dieser gesetzlichen Verankerung kontrovers diskutiert. Organisatorische und bauliche barrierefreie Lösungsansätze müssen entwickelt, geplant und passgenau umgesetzt werden.
Einzelmaßnahmen könnten akute Problempunkte verbessern, seien jedoch weit vom Ziel der UN- Behindertenrechtskonvention, einer selbständigen Lebensführung von Menschen mit Mobilitäts- und Sinneseinschränkungen, entfernt. Es ginge darum mit fachlich fundiertem Wissen im Rahmen von Beratung, Planung, und Baubegleitung systematisch physische Barrieren abzubauen sowie Leit-, Informations- und Orientierungssysteme aufzubauen. So Jostes.
„Lassen Sie mich ein Beispiel aufzeigen: Nutzer und Nutzerinnen individueller Hilfsmittel wie Rollator, Rollstuhl etc. benötigen andere bauliche Gegebenheiten als seheingeschränkte oder blinde Menschen. Die Nullabsenkung eines Bordsteins ist für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollator oder auch Eltern mit Kinderwagen eine komfortable Möglichkeit die Straße zu überqueren. Für blinde Menschen jedoch kann diese bauliche Gestaltung eine große Gefahr beinhalten, da der tastbare Hochbordstein zwischen Straße und Gehweg fehlt“, erläutert die Kasseler Expertin für barrierefreies Bauen.
Barrierefreie regionale Konzepte als Chance für Kommunen begreifen
Nicht zu unterschätzen sind die positiven Auswirkungen einer kommunalen Entwicklungsstrategie mit Schwerpunkt Barrierefreiheit. Die meisten Bürger haben ein Ziel: so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden und dem vertrauten, sozialen Umfeld wohnen zu bleiben. Dies benötigt eine durchgängige barrierefreie Versorgungskette, vom Bäcker, über Ärzte, Restaurants, Pflegekräften, Handwerkern – von einem intelligent durchdachten Konzept kann eine ganze Region partizipieren.
Hierzu ist es notwendig, den immensen Informationsbedarf zu decken. Praxisorientierte Workshops für kleine, traditionell ansässige Unternehmen, Schulungen für Handwerker oder Informationsveranstaltungen für gastronomische Betriebe, führen die Teilnehmer zu einer neuen Sichtweise und treiben eine Vernetzung voran.
Wichtig ist hierbei eine sorgsame, über die technischen Gegebenheiten hinaus gehende Bestandsaufnahme, die mit Hilfe der ortsansässigen Bürgerinnen und Bürgern und deren Vertreter durchgeführt wird.
Bei alledem ist natürlich der ökonomische Faktor wesentlich. Die meisten Gemeinden sind aktiv mit der Umsetzung der Energiewende beschäftigt. Hierzu werden Gebäude entsprechend energieeffizient saniert und technisch aufgerüstet. Warum nicht hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?
„Die rege Nachfrage von Gemeinden an Veranstaltungen zu energieeffizientem und barrierefreiem Sanieren zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Jostes.